Montag, 8. Januar 2007

Neugeboren

Mein jüngster Sohn wurde geboren und einige Nächte später träumte ich, er hätte den Mund geöffnet und aus seinem Unterkiefer seien schon zwei Zähne gewachsen, vorne in der Mitte.

Freitag, 29. Dezember 2006

Die Toten

Am Fuß der Westseite von Jainzen 834 m liegt der Doppelblick. Eine Anhöhe mit einer Handvoll Häusern und einem Blick weit ins Ischltal hinaus und zum Dachstein hinüber. Hier steht eine Kapelle, knapp größer als ein Mensch, nach vorne offen und zu klein, um einzutreten, in der die Katastralgemeinde Jainzen jener ihrer Bürger gedenkt, die in den Weltkriegen um ihr Leben gekommen sind: Zwei gerahmte Drucke mit den Bildern von erschütternd jungen Männern mit klassischen Gesichtern, wie es sie heute nicht mehr oft oder wenn dann nur an älteren Menschen zu sehen gibt. So jung gestorben, so sinnlos. Die Nachnamen haben sich erhalten, die gängigen Vornamen von damals sind längst nicht mehr populär. Nachts taucht eine Kerze im roten Plastikmantel all das in ein weiches Licht.

Dienstag, 26. Dezember 2006

Brno

Es war Winter und schon dunkel auf der vierspurigen Straße nach Brno, als wir zwischen den strahlenden Einkaufszentren und den sozialistischen Wohnmaschinen in einen Stau gerieten und uns meterweise vorschoben. Blaulicht. Ein Polizist beim Aufnehmen von Zeugenaussagen, ungerührt angesichts des Leichnams eines großen feisten Mannes auf dem kalten Asphalt vor der Tatwaffe, dem Kühler eines großen Trucks. Überfahren auf dem Weg heim von der Straßenbahnhaltestelle zwischen den Fahrbahnen oder vom Feierabendbier. In irgendeiner kleinen Wohnung am rechten Straßenufer würden bald Schmerz und Trauer Einzug halten. Oder auch nicht.
Wir schoben uns auf der freien Spur vorbei, schüttelten das Grauen ab und rollten in die Stadt hinein,

Samstag, 23. Dezember 2006

Die Wintersonne wendet sich

Zwischen Haus und Fluder, nahe dem laublosen Nussbaum, saßen wir zu dritt an einem kleinen Gartenfeuer zur Wintersonnenwende, schauten gewärmt Glut und Flamme an, nahmen ein leises Gespräch auf und ließen es wieder ruhen, verbrannten kleine Zettel mit Notizen darüber, was wir nicht als Ballast ins nächste Jahr mitnehmen wollen würden. Auf dem riesigen leeren Parkplatz des Einkaufszentrums am Ufer gegenüber näherte sich ein einzelnes Auto, fuhr in den uns nächst gelegenen Winkel, blendete uns kurz und entfernte sich wieder. Es war die Nachtstreife der Polizei, die nach dem Rechten gesehen hatte.

Nun werden die Tage wieder länger, noch unmerklich.

Donnerstag, 21. Dezember 2006

Energie erzeugt Energie

Energie zieht Energie an, so wie (fast) alles zum Licht strebt. Es muss der über die Maßen hohe Energiepegel eines kleinen verschworenen Kreises gewesen, der diesen zum Nukleus, zum buchstäblichen harten Kern der Hardcore-Szene von Washington, D.C. werden ließ.
Ian MacKaye, heute bei Fugazi, sagt es in "Dance of Days - Two Decades of Punk in the Nation's Capital" von Mark Andersen und Mark Jenkins:

"I've seen Washington grow from the Teen Idles, Untouchables and Henry (Garfield aka Rollins) – those nine people, that was it, that was our 'hardcore scene'."

Die Energie von neun Menschen genügte also, um eine Szene entstehen zu lassen, die dutzende international einflussreiche und stilprägende Bands, eine große Community und eine ganz spezielle Arbeitsethik hervorgebracht hat.

Mittwoch, 20. Dezember 2006

Steinmänner

Die Gemeinschaft der Jainzengeher selbst ist unsichtbar, doch sie manifestiert sich im Erhalten der Begehbarkeit des Weges durch kollektive Nutzung im Winter und im unaufhörlichen Errichten von Steinmännern an den oberen Kehren, die anders als im hochalpinen Gelände nicht der Orientierung dienen, sondern – zumindest denke ich so – als Ehrung der Geister, des genius loci gleichermaßen wie als Land Art zu verstehen sind.
Stein für Stein tragen die anonymen Geher zum Teil ansehnlich hohe Kegel zusammen, bis entweder ein boshaft gesonnener Mensch die gemeinschaftliche Mühe zu Nichte macht und die Wegmarken umtritt oder der Schnee das Werk der Zerstörung besorgt.

In Tibet heißt es, wie ich von Boris Nieslony gehört habe, unter den Mönchen, dass ein Stein sich jahrelang nicht darüber beruhigen kann, wenn er von seinem ursprünglichen Platz genommen wird. Was also würde ein tibetischer Mönch hören, stiege er auf den Jainzen?

Dienstag, 19. Dezember 2006

Der Klettergeheimnis-Koan

Worauf es ankommt:
Nicht auf das Festhalten, sondern auf das Loslassen.

Montag, 18. Dezember 2006

Die Rinne

Knapp unterhalb des Gipfelplateaus, nach vielleicht hundert Metern nördlich zurück auf dem Weg, beginnt die große Rinne, die kontinuierlich steil und mit mehreren Felsstufen versetzt fast bis zum Bergfuß hinunterführt und mehrfach die Kehren des im weiten Zickzack angelegten Normalweges streift. Die beste Zeit zum Begehen der Rinne ist die vom Hochwinter an, wenn der Schnee hüfthoch liegt. Der Kofferhändler aus dem Kreis der Dauergeher begeht sie ab und an, doch meistens ist die Rinne jungfräulich und unverspurt, von den Wildwechseln abgesehen.
Wer sich ein Herz fasst und oben einsteigt, durchrauscht im Graubereich zwischen Steigen und Rutschen in zehn, fünfzehn glücklichen Minuten fast vierhundert Höhenmeter und kann sich fühlen wie damals, als Kind.

Florian Sedmak

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