Chronologien

Montag, 4. Dezember 2006

Das Haus, das niemals schlief

Über Jahre wohnten wir im Haus, das niemals schlief. Bis sechs am Abend gab es im Erdgeschoß unter uns Brot zu kaufen, und noch um ein vieles länger, bis spätabends, sprachen die Stammgäste im angeschlossenen kleinen Café dem Alkohol zu. Legten wir uns nach Mitternacht hin, war in der Backstube unten schon der erste Bäcker zugang und mischte die Teige an.
Im Lauf der Nacht, nach den stilleren Stunden bis drei, verdichtete sich die Arbeit zu einem schnellen Hantieren, zu einem Kommen und Gehen zwischen Backstube, Einzählkammer und Lieferwagen, die Hitze der Öfen bis ins Stiegenhaus hinaus.
Nur am Sonntag war es gespenstisch still.
So still, wie es jetzt im Haus ist, aus dem wir längst ausgezogen sind.
Der Bäcker starb, bankrott gegangen, einen Tag vor seinem sechzigsten Geburtstag bei einem Autounfall; seine Frau hatte sich schon Monate davor zu Tode getrunken.

Donnerstag, 30. November 2006

Mörder

Meine Frau kannte den Mörder schon als sie noch klein war und er auch. Er war Scheiße schon als Kind. Ich lernte ihn kennen als den weinerlich-aggressiven Methadonprogrammsjunkie mit Handtätowierungen und rattenhaften Zügen, den du durch die kleine Stadt taumeln sehen konnest oder auf Bänken sitzen mit seinesgleichen.
Vor der Apotheke, in der sich seine Ration abzuholen pflegte, umarmte er seine klapprige Freundin, die unter Tränen sagte, wenn Du Dich doch ändern würdest, wenn Du Dich doch nur ändern würdest, aber Du änderst Dich ja nicht. Und da lächelte er mit schlecht kaschierter Freude, dass er sie wieder einmal herumgekriegt hatte, als er ihr einen betrunkenen Kuss aufschmeichelte.
Dieser Freundin verpasste er zwei, drei Messerstiche in Lunge und Kinn, die sie selbst zu verarzten versuchte und sie deckte ihn noch, als sie zur Notoperation ins Krankenhaus eingeliefert wurde, ein Unbekannter habe sie im Park ange- und überfallen.
Er aber fuhr mit dem Taxi nach Linz an der Tramway, wo er seine Zweitfreundin mit hundert Messerstichen tötete und dann gab er zu Protokoll, sie seien ihm so auf die Nerven gegangen, die beiden.

Dienstag, 28. November 2006

Kilian und die heiligen Tiere

In der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 2004 träumte ich, in den Bergen – zumindest am Fuße von Bergen – zu sein. Ich steige einen Hohlweg hinauf. Dort gewahre ich einen mächtigen Hirsch mit großem Geweih und eine große Hirschkuh an seiner Seite.
Aus respekt und um sie ihres Weges gehen zu lassen, weiche ich zur Seite aus und stehe über dem Hohlweg. Auf einem Gerüst aus Ästen liegt mein Sohn Kilian in einem Grasbett. Der Hirsch nähert sich, und im nächsten Moment ist er fort, hinterlässt aber sein Geweih ganz offensichtlich als Gabe.
Von hinten nähert sich ganz ruhig und gelassen ein Wolf. Instinktiv weiß ich, dass er als Botschafter hier ist, greife aber dennoch zum Taschenmesser.
Der Wolf schreitet langsam unter dem Gerüst durch und verschwindet im Wald. Als ich den Weg hinunterschaue, eilt ein Igel über die schottedurchsetzte Böschung.

Montag, 27. November 2006

Hellsichtige Hunde

Schauts doch auf die Ampel, rief der kleine Herr mit Hut seinen im Schotterstreifen neben dem Gehsteigrand scharrenden und schnürenden, ebenfalls kleinen Hunden, zu und erklärte mir, seine Hunde würden sich in der Stadt nicht nach seinen Kommandos richten, sondern nach der Fußgängerampel. Bei rot seien sie nicht weiterzubewegen, bei grün aber stürmten sie los. Einmal habe er sich beim Warten an der Ampel in seinen Gedanken verloren und sei abrupt von den Tieren zurück ins jetzt gerissen worden, als die Ampel auf grün schaltete.

Donnerstag, 23. November 2006

Die Fliegen, wie die Fliegen

Novemberföhn. Die Fliegen kommen herein, um zu sterben.
Die Wespen sind bereits tot und liegen leblos auf Laminat.

Florian Sedmak

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